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Die nachfolgenden Texte sind selbstverständlich geprägt vom subjektiven Blick eines Westdeutschen auf dieses faszinierende Land. Das schließt die Möglichkeit mit ein, dass ich etwas falsch interpretiere.
Martin Scheib im Sommer 2006

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27 km sind es vom kleinen, erst in den sechziger Jahren zur Stadt erhobenen Marktflecken Huedin bis hierher; die Straßenschäden, die die schweren Holzlaster im Winter verursachen, wurden oft erst spät im Frühjahr repariert und so bedurfte es manchmal einiger Fahrkünste, um den Ort unbeschadet zu erreichen. 2006: Der Bürgermeister der etwa 70 km entfernt gelegenen Großstadt Cluj-Napoca, Emil Boc mit Namen, stammt von hier und hat die Asphaltierung der Straße angekündigt, Baubeginn sollte noch in 2005 sein. In der Folge tauchten einige Vermessungstrupps auf, es wurden kleine Brücken befestigt und Gräben ausgehoben. Im Sommer 2006 wurde die ganze Straße -zumindest bis Răchiţele- repariert, etwas gründlicher als in den Jahren zuvor, so dass zu hoffen bleibt, dass sie auch den Winter einigermaßen unbeschadet übersteht. Die Landschaft entlang der Straße über Călăta, Mărgău, Buteni und Scrind-Frâsinet entschädigt jedoch den Besucher mit weiten Ausblicken für mögliche Unbill; nach Osten hin, Richtung Mănăstireni, sind merkwürdige Tafelberge mit plastischen Erosionsrinnen zu sehen und einige spitzige Kegel, im Westen ragt hinter einer zur Hälfte kahlen Kette von Vorbergen der mächtige Kamm der Vlădeasa hervor, kleine Ortschaften, in Talmulden geschmiegt, wechseln mit weiten Höhenrücken ab. Răchiţele selbst, eine Streusiedlung mit einem kleinen Dorfzentrum, am Zusammenfluß mehrer Täler gelegen, ist die letzte etwas größere Ansiedlung an der Straße nach Padiş, einem Hochplateau mit sehenswerten Karstphänomenen.

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Stadt - Land

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Heu / faîn
Rumänien –vor allem in den Ballungszentren- ist vom Europa-Fieber erfasst, der in greifbare Nähe gerückte Beitritt zur Europäischen Union verheißt bessere Lebensbedingungen und erzeugt eine sichtbare Aufbruchstimmung. Das ist vor allem in den größeren Städten zu spüren, an deren Zufahrtsstraßen sich längst Metro & Konsorten sowie verschiedene Baumarktketten etabliert haben. In den Städten verschwanden viele der nach der Revolution von 1989 in unübersehbarer Anzahl gegründeten kleinen und kleinsten Lebensmittelläden. Die Kleinst- Unternehmer haben zu wenig Geld, um mit den Großen mithalten zu können, ein bekanntes Phänomen. Auch in anderen Wirtschaftszweigen ist deutlich zu spüren, dass Europa in den Beitrittskandidaten investiert. Wenn früher vor allem die deutlich niedrigeren Löhne Investionsanreiz waren, ist es heute nicht zuletzt der Absatzmarkt Rumänien. Damit boomt auch die Anzahl der rumänischen Unternehmungen. Die Stellenanzeigen der Anzeigenzeitung Piaţa (Cluj) umfasst zeitweise mehr Seiten als der der Süddeutschen. Gestiegenes Einkommen der Menschen (wenn auch noch weit unter deutschem Niveau), bedeuten ein Mehr an Kaufkraft. Überalterte Bausubstanzen erzeugen einen gewaltigen Renovierungsbedarf, Energiepreise beinahe auf Westniveau machen Isolierglas-Fenster und Dämmmaterial zu Verkaufsrennern.

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Die Bäckerei von Răchiţele

Von all dem ist hier auf dem Land nur wenig zu spüren, abseits der Städte beherrscht vor allem klassische Substitutionswirtschaft das Bild: wenn irgend möglich, wird das zum Lebensunterhalt Nötige selbst erzeugt oder gesammelt (Pilze, Heidelbeeren, Himbeeren, Kräuter und vieles anders). In den Bergregionen herrscht die Viehwirtschaft vor und das zusätzliche Einkommen kommt für die Mehrheit fast ausschließlich aus der Holzwirtschaft.
Andere, deren Grund an einer der Straßen liegt, die zu den gewaltigen Wäldern führen, haben sich eine Säge angeschafft und erzeugen Bauholz, die übrigen sind Holzfäller, ziehen als Traktoristen die Stämme aus den Wäldern oder arbeiten als einfache Helfer im Forst. Brach im früheren Zeiten ein Großteil der männlichen Bevölkerung im Sommer (wenn in den Wäldern weniger zu tun ist), zur Lohnarbeit bei der Ernte in andere Regionen auf, so sind es heute die Ballungszentren um die Grenzstadt Oradea und Cluj-Napoca, die zusätzliche Einkommensmöglichkeiten bieten. Ein Anfang einer Tourismuswirtschaft in Răchiţele ist gemacht, es gibt einige Pensionen und einige zu mietende Hütten (Cabane).

Brot aus Răchiţele

Der tägliche Bedarf wird meist in einem der Dorfläden (oft gleichzeitig Kneipe) und bei der örtlichen Bäckerei erstanden. Diese Läden werden erhalten bleiben, denn es wird noch sehr lange dauern, bis die allgegenwärtigen Pferdekarren durch Autos ersetzt worden sind und Răchiţele ist zu klein, um als Standort für eine Lebensmittelkette in Frage zu kommen. Die Bäckerei wird mit dem EU-Beitritt geschlossen werden, sie entspricht nicht mehr deren Normen, es sei denn es findet sich noch ein Investor, der die notwendige Modernisierung finanziert.
Am Dienstag bricht die halbe Region per Auto, Kleinbus, Anhalter, Pferdekarren oder zu Fuß nach Huedin auf, denn dies ist der Markttag und auf dem Markt sind die Waren billiger als in den Läden zu erstehen. Außerdem wird diese Gelegenheit benutzt, um allerlei zu erledigen, seien es Behördengänge oder Arztbesuche, Einkäufe in Apotheken oder in anderen Geschäften.

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2 PS

Im Frühjahr, sobald die Fröste aufhören -und das ist spätestens um die Osterzeit der Fall-, wird das Vieh für einige Wochen auf die tal- oder hausnahen Weiden gelassen. Zugleich bricht der Bergfrühling in fast atemberaubender Geschwindigkeit an. Ostern (Paşti) ist im orthodoxen Rumänien neben Weihnachten (Crăiciun) und Silvester (Revelion) das wichtigste Fest in Jahreslauf, auch wenn auf dem Lande noch unzählige kirchliche Feiertage dazu kommen, die im städtischen Leben nur noch für die Gläubigen eine Rolle spielen. Aber das sind, wenn man die Angbote der Lebensmittelläden sieht, nicht wenige: Es gibt in Rumänien einen besonderen Markt für Fastenprodute (= Lebensmittel nichttierischen Ursprungs). Hauptbestandteil ist Soja. Sojafleisch, Sojawurst, Sojapasteten.
Mit dem Ergrünen der Bäume steigt deren Feuchtigkeitsgehalt an, die Holzqualität sinkt, und in der Forstwirtschaft ist weniger zu tun. Dennoch wird fast das ganze Jahr über Holz geschnitten und zu Tal befördert, Arbeit für Holzfäller, Traktoristen, Hilfskräfte und LKW-Fahrer.
Nach Ostern werden die Gärten und Kartoffeläcker für den Eigenbedarf bearbeitet, ein sehr, sehr mühsames Geschäft auf diesen steinigen und oftmals steilen Berghängen, denn landwirtschaftliches Gerät technischer Art ist schlicht nicht vorhanden, es wäre aufgrund der Geländebeschaffenheit auch meist nicht einsetzbar. So kommt menschliche Muskelkraft zum Einsatz, zuweilen ergänzt durch 1 oder 2 PS. Die landwirtschaftlichen Flächen werden ausschließlich mit Stallmist gedüngt, den dies ist Tradition. Dazu kommt, dass in der Regel zuwenig Geld für Düngerzukäufe vorhanden ist.
Ab etwa Mitte Juni werden die Kühe und oft auch die milchgebenden Ziegen auf die Hochweiden getrieben, wo für jeden Eigentümer ein kleiner Stall mit Umzäunung vorhanden ist. Um das Vieh kümmern sich einige Männer, die von der Gemeinschaft der Viehbesitzer dafür bezahlt werden. Das Melken besorgen in der Regel die Familien der Viehbesitzer selbst, die Wege werden zu Fuß oder eventuell mit dem Pferedekarren bewältigt, dies ist aber seltener der Fall, da einsetzbare Pferde meist im Forst arbeiten. Die Weiterverarbeitung der Milch zu Frischkäseprodukten (Brânză, Telemea) und Smântântană (Saure Sahne) erfogt in der Regel im eigenen Haus für den Eigenbedarf. Es gibt auch einige alleinstehende Alte, die den Hirten nicht bezahlen können. Und so sieht man im Sommer tagaus tagein auf Waldweiden und in Talgründen weidendes Vieh und ständig dabei: die Alten. Die Weiden der anderen sind tabu, denn hier wächst das Heu, das für die Ernährung des Viehs im Winter gebraucht wird.

Unzählige Schafherden wandern über die weite Landschaft / Foto: Martin Scheib
Unzählige Schafherden wandern über die weite Landschaft  
(aufgenommen bei Mărgău,im Anstieg zum Dealul Golumbaţ), Sommer 2006


Die Schafe werden professionellen Schäfern mit ihren Hunden überantwortet und bleiben bis zum Hereinbrechen des höheren Winterschnees draußen. Und so sieht man bis hinauf zu den höchsten Gipfeln der Munţii Apuseni fast ganzjährig große Schafherden über die weiten Grasflächen ziehen.
Den ganzen Sommer über bis spät in den Herbst hinein wird das Gras mit der Sense geschnitten und das Heu gewendet. Heuhocken sind ein fester Bestandteil dieser Landschaft, ebenso die Männer, die mit der Sense das Gras schneiden und die Frauen, Männer, Kinder und Alten, die es wenden und mit Handtragen zusammen häufen, eine Schwerstarbeit auf steilen Berghängen.
Ebenso ganzjährig: Brennholz schaffen. So manchen, der sich kein Pferd und keine Caruţa leisten kann, sieht man täglich in den Wald ziehen und mit 2-3 kleineren Stämmen auf dem Rücken zurückkehren, denn die Winter sind lang. Man versucht, das Holz einigermaßen zu trocknen, oft erst in der Stube und dennoch überzieht diese Berge im Winter ein Geruch nach feuchtverbranntem Holz. Wer im Forst arbeitet, hat Vorteile, denn meist ist Brennholz Teil der Entlohnung.
Im Frühjahr, Sommer und Herbst werden Pilze gesammelt und andere Wald- oder Bergfrüchte geerntet und weiterverarbeitet. Im Frühjahr wird aus jungen Tannentrieben ein Sirup zubereitet (Sirop de brad), die Heidelbeeren ergeben im Sommer mit Zucker und Alkohol angesetzt einen köstlichen Likör (Afinată), Walderdbeeren, Himbeeren und Brombeeren werden zu Sirup verkocht oder gleich verzehrt.
Der Herbst gehört dem Kartoffelausgraben und dem Einmachen oder Einlegen von zugekauften Gemüsen, das Vieh kommt wieder auf die tiefer gelegenen Weiden und mit dem Beginn des Winters in den Stall.


Heuhocken und Kilometerstein im Spätherbst 2004

Ich habe meinen Freund Miti gefragt, was denn die Menschen im Winter hier machen. "Naja", hat er gesagt, "sie bleiben zuhaus und sehen zu, dass das Feuer nicht ausgeht". Ganz so wird es sich wohl nicht verhalten; sofern der Schnee nicht zu hoch ist, wird auch im Forst gearbeitet. Und es gibt natürlich eine professionelle Forstverwaltung und die Gemeinde. Aber ansonsten sind die Einkommensmöglichkeiten rar: schlechtbezahlte Arbeit für ein paar Frauen in den Bars (=Dorfkneipen) und Läden, einige selbstständige Schreiner, etwas Arbeit an den Sägen, etwas Arbeit in den Großstädten Cluj und Oradea sowie eine ein wenig aufkeimende Tourismuswirtschaft, die Arbeit für Zimmerleute und Maurer schafft. Und so ist es nicht verwunderlich, dass es immer mehr Dörfer gibt -abseits aller Busverbindungen und asphaltierter Straßen-, die nur noch von den Alten bewohnt werden.
[wird fortgesetzt mit: Das Sterben der Lämmer und Schweine]

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Last update/ Ultima actualizare/ Aktualisiert am 01.03.2009